Interview mit unserem Ehrenmitglied und ehemaligen musikalischen Leiter
Heinz-Udo Winter

Wie hat sich die Spielmannsmusik in den letzten Jahrzehnten verändert? Was fandest du gut und was hat dir früher besser gefallen? 

Das kann man gar nicht so schnell beantworten. Spielmannsmusik hat sich dahin entwickelt, dass man nicht mehr nur noch mit kleinen Flöten spielt, man macht jetzt richtige Konzertmusik. Es gibt noch Vereine, die spielen genauso wie wir vor 50 Jahren und es gibt Vereine, die haben gar keine Auftritte mehr. Die haben nur noch Konzerte und werden von professionellen Dirigenten geleitet. Das ganze Spektrum von richtiger Spielmannsmusik so wie früher mit „Preußens Gloria“ bis zur symphonischen Spielmannsmusik - alles ist jetzt mit allen Flöten möglich: Mit Bassflöten, mit Kontrabassflöten, … - So schön wie jetzt war es eigentlich noch nie.

Wer ein bisschen interessantere Musik machen will, der kommt vielleicht zu uns. Wir bieten ja hier eine ganze Menge an. Von Polkas, traditioneller Märsche und moderner Musik, rhythmischen Potpourris - also eine sehr breit gefächerte Musik - und wer ganz abgedreht ist, geht halt zu Vereinen, die gar keine normalen Auftritte mehr haben und nur noch Konzerte machen und sich der symphonischen Spielmannsmusik hingeben.

Wichtig ist mir immer gewesen, dass wir sowohl das eine, als auch das andere machen – wir schwimmen in der Mitte. Auch unseren guten Leuchten müssen wie die Möglichkeit geben, ihre Stimme zu üben und gefordert zu werden. 

Ein absoluter Höhepunkt war für mich die erste Freitagsprobe bei Rheingold, wo wir plötzlich mit Mallets und Alt-/Bassflöten gespielt haben. Was ein Klang… 

Wie hast Du deine damalige musikalische Ausbildung erlebt? 

Ganz anders wie jetzt. Früher wurde nur angesagt, was getan wird. Heute muss man höflich fragen, was man probt. 

Wir waren richtig froh, dass wir jemanden hatten oder wo wir hingehen konnten, der uns die Freizeit gestaltet. Früher hatten wir alle kein Geld, heute haben alle Geld, da sieht die Situation ganz anders aus. Für mich war der Verein damals einfach das non plus ultra. Man konnte sonntags mal mit 9 Jahren nach Holland fahren und durfte dort übernachten. 20 Sonntage im Jahr sind wir weggefahren. Das war für mich einfach die beste Freizeit, die man machen konnte. Wiedergegeben haben wir das dem Verein, indem wir einfach jede Woche einen neuen Marsch gelernt haben. 

Heute muss man als Ausbilder oder musikalischer Leiter sehr diplomatisch sein. Einige gehen noch Fußball spielen, viele gehen noch in anderen Vereinen mit oder kommen anderen Sportarten nach. Heutzutage muss man leider froh sein, wenn es noch Leute gibt, die in der Woche noch ein bis zwei Mal zuhause proben. 

Was war für Dich das schönste Erlebnis, das Du mit „Rheingold“ erfahren durftest und welches war beziehungsweise ist dein absolutes Lieblingsstück? 

Also mein absolutes Lieblingsstück sind die Sonnenkinder. 

Ich habe dutzende super Erlebnisse gehabt. Das bezieht sich jetzt nicht nur auf die Meisterschaften. Da sind viele Erlebnisse mit „Rheingold“, die auf freundschaftlicher Basis entstanden sind. Natürlich waren da auch die Landesmeisterschaften und ewigen Rivalitäten mit Rothausen oder mit Reiskirchen. Es gab schon tolle Erlebnisse, auch wenn man nur Zweiter wurde, aber der ganze Tag war das Erlebnis, das Herausragende. 

Das letzte Erlebnis, das mir sehr gut gefallen hat, war unser Konzert mit dem Liederkranz. Das war für mich so in den letzten 10 oder 15 Jahren das herausragendste Erlebnis. 

Ein voller Saal, nette Kollegen mit denen wir Musik machen durften. Wir haben ein ganz tolles Programm gehabt. Das war wirklich sensationell. Natürlich gab es auch eine Deutsche Meisterschaft oder eine Landesmeisterschaft, aber die habe ich für mich still genossen. 

Was ich aber noch erwähnen muss: Weihnachtsfeiern! Wenn ich mich noch dran erinnere, wie wir in der Schule im Wiesengrund Weihnachtsfeiern gemacht haben, das kann man sich nicht vorstellen. Wenn Gerd Becker als Nikolaus die Treppe runterkam, da waren 250 Leute, das waren Auftritte, wo der über jeden einzelnen aktiven Spielmann, welcher vortreten musste, in Reimform etwas vorgetragen hat aus dem vergangenen Jahr. Und dann war Peter Blatzheim als Hans Muff dabei, der hat die Bösen alle verhauen. Und es bekam wirklich jeder sein Fett weg: es wurde getadelt und meist war es lustig, aber das waren Erlebnisse! Da wurde sich wirklich Arbeit gemacht. Das wir musikalisch gut waren, war für mich immer eine Selbstverständlichkeit, sonst wäre ich - und viele andere auch - nicht in diesem Verein gewesen. Komischerweise hat das nicht immer was mit Musik zu tun. Das war so wie der kleine Anfang jetzt mit dem Schießen. Da werden auch noch viele von sprechen. Leider konnte ich nicht dabei sein, aber das war wieder ein guter Anfang etwas zu machen, was nichts mit Musik zu tun hat und trotzdem, weil wir uns ja alle untereinander gut verstehen, macht das auch Spaß. 

Was würdest du Eltern möglicher Nachwuchsmusiker über unseren Verein erzählen, um sie für uns zu gewinnen? 

Wenn Sie im Amateurbereich eine der besten musikalischen Ausbildungen durch Fachleute haben wollen, dann müssen sie zu uns kommen. Das ist ganz einfach. Wir haben seit Jahrzehnten Ausbilder, die hier arbeiten und die entsprechende Fachlichkeit haben, die pädagogisch sehr wertvoll sind und die sich mit Kindern auskennen. Also ich könnte auf Anhieb keinen anderen Verein im weiten Umkreis nennen, der diese Art von Ausbildung bietet: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, exakt arbeitend, auf jeden einzelnen Musiker eingehend, … 

Wenn Ausbildung dann richtig. Ohne Kompromisse, das ist hervorragend bei uns. 

Inwiefern ist ein Musikverein prägend für das spätere Leben? Welche Vorteile gibt es deiner Meinung nach, wenn man in einem Verein ist? 

Es gibt eigentlich nur Vorteile. Wenn man ohne einen Verein aufwächst, lernt man nie, wie man sich im Rudel verhält. Hierbei ist es völlig egal, was das für ein Verein ist (Schützenverein, Fußballverein, Karnevalsverein, …), die Prinzipien sind nämlich überall gleich: Man muss sich einordnen, man kann anderer Meinung sein, muss sich dann aber der Gemeinschaft anschließen. Man wird in eine Gemeinschaft eingebunden und das erzieht einfach. Das hat mich erzogen und auch viele andere. Kinder, die nicht in einem Verein aufwachsen, verlieren im Leben. Ihnen fehlt etwas, das man bis ins hohe Alter merken kann. Je größer ein Verein wird und je ausschweifender, je mehr ist dieses Potential notwendig und wir müssen uns zusammenfinden. Und dafür zahlen die Eltern kein Geld, kein Kindergartengeld, keine Hilfe, keine Pflege, kein Kindermädchen, das kriegst du kostenlos geboten. 

Man muss nur den richtigen Verein haben, wo man gefördert wird – und das können wir bei Rheingold bieten. 

Ein weiterer Vorteil des Vereins ist, dass man lernt, wie wichtig auch das kleinste Rädchen ist und dass man nur zusammen gut sein kann. Auch kleine gemeinsame Entscheidungen sind hilfreich und unheimlich wichtig – das lernt man nur in einem Verein. 

Was macht in Deinen Augen einen guten Marsch aus? 

Dass er mir gefällt… Wenn ich jetzt mal den „Bandology“ und den „Ruetz“ sehe, das sind vom Aufbau her zwei 180 Grad auseinanderliegende Märsche und gefallen mir auch beide. Und Sonnenkinder. Sogar der Saluto Lugano, der mir anfangs überhaupt nicht gefallen hat, den finde ich jetzt sensationell schön. Das kann man am Anfang auch gar nicht sagen, sondern das muss man hören und es kommt auf die Laune an. Und auf einmal gefällt der mir nach 2 bis 3 Jahren. 

Welche Auszeichnungen hast Du selber sammeln können? 

Also ich weiß nur, ich habe im Verband irgendeine Ehrenauszeichnung und hier bin ich Ehrenmitglied. Das sind schon herausragende Eigenschaften, aber so wichtig ist das eigentlich gar nicht. Für mich war es früher wichtig, als es noch Einzelwett-bewerbe gab, aber mittlerweile habe ich kistenweise Orden, die ich gar nicht mehr heben kann. Ich habe immer als Trommler und als Flötist gewonnen und prahlte, dass wenn ich jemals gegen jemanden aus meinem Verein verlieren sollte, höre ich auf mit den Einzelwertungen. Dann passierte es irgendwann, dass Bernd Fischer den ersten und ich nur den zweiten Preis beim Trommeln ergatterte und danach habe ich damit ganz aufgehört. 

Wie würdest Du das charakteristische Zusammenspiel von Jung und Alt im Verein beschreiben? 

Vorbildlich. Diese hervorragende Symbiose, dass man sich einordnen muss, hält jung. Man muss mit den Jugendlichen auskommen und die Jugend muss lernen, mit den Alten auszukommen. Man muss ihnen nicht immer in allem ein Vorbild sein, denn man braucht unter den Älteren auch ein eigenes Vereinsleben, aber man muss die Jugendlichen mitnehmen. Ein Verein, in dem nur 50-jährige sind, da würde ich niemals reingehen. Wo ist denn da das Leben? Bei uns ist das eine tolle Symbiose, wir haben alles dabei. Einfach fantastisch! 

Was hat Dich motiviert, so viel Einsatz in den ganzen Jahren zu zeigen? 

Spaß. Es macht mir einfach Spaß, mehr nicht. Spaß und Ehrgeiz. Wenn etwas läuft, dann macht es Spaß und dann entwickelt man auch Ehrgeiz. Ich hatte damals zum Beispiel den Gerd Becker als Mitstreiter gehabt – er hat das mit dem Schriftlichen und den Anträgen gemacht und alles andere machte ich. Es hat Spaß gemacht, wenn das läuft. 

Motivation gab es auch durch unseren LMV-NRW. Hier konnte ich in meiner mehr als 30-jährigen Position als Landesmusikdirektor für Spielleute die Ausbildung der Spielleute/Musiker maßgeblich beeinflussen und federführend gestalten. Hierfür hatte ich hervorragende Freunde und Mitstreiter. H.J. Lohscheid, Martin Ständer und Karlheinz Hagencord, um nur die zu nennen, mit denen ich Jahrzehnte sehr eng zusammengearbeitet habe. Zusammen mit dem Vorstand haben wir als Team die Ausbildung der Spielleute in eine andere Ebene gehoben, die sich dann in den Vereinen fortgesetzt hat.

Was könnte der erfolgreiche Schlüssel für die Zukunft sein? 

Das zu tun, was wir am besten können: einfach nur Musik machen und diese gesellschaftlichen Dinge wieder mehr ins Leben rufen. Das wird anfangs stocken, aber jetzt der Anfang mit dem Schießen war ja schon gut. Das haben wir früher sehr oft gemacht, weil wir auch viele Kinder hatten. 

Du warst sowohl in Spielmannszügen als auch in Blasorchestern tätig. Welche Besetzungsform gefällt dir besser? Und mit welcher Form hast du die größeren Erfolge erzielt? 

Ich habe größere Erfolge mit den Spielmannswesen erzielt, hier war ich aber auch wesentlich länger unterwegs. Wenn ich früher mit der Blasmusik angefangen hätte, wären auch da sicherlich größere Erfolge gekommen. 

Vergleichen kann man aber beides nicht miteinander. Beides ist Musik – das eine ist halt Blasmusik und das andere Spielmannsmusik. Mir hat immer beides gefallen und ich mache beides auch heute noch gerne.