Interview mit unserem Ehrenmitglied Hans Ollig

Hans, wie ist es damals dazu gekommen, dass du dem Tambourcorps beigetreten bist?

Zu der Zeit, da gab es hier Kendenich und Hermülheim als Spielmannszüge und wenn hier Schützenfest war, da ist man als kleiner Junge praktisch hinterher oder daneben gelaufen und auf einmal hörte ich, dass auch in Efferen ein Tambourcorps gegründet worden ist. Ich war zwar nicht auf der Gründungsversammlung, aber kurz danach bin ich schon zum Proben gegangen. Die Probe war damals immer auf der Kegelbahn beim Krisinger. Erst wollte ich Tambour werden, da sagte aber der Willi Effern (unser Ausbilder): „Also Tambouren haben wir genug!“. Und im Nachhinein hat sich dann zum Glück unwahrscheinlich gut herausgestellt, dass ich die Flöte so in die Jackentasche stecken konnte, keine Trommel tragen musste, usw. Das war alles noch im damaligen Sommer 1951. Unseren ersten Auftritt hatten wir glaube ich damals beim Schützenfest 1952 in Efferen. Da waren wir damals fast 43 Leute, also ein großer Haufen. Wir haben zum größten Teil immer die meisten Teilnehmer auf einem Fest oder Wettstreit gehabt. Der Streuselkuchen für die Mannschaft war damals so groß wie ein Tisch, 10 Pfund Mett, 100 Brötchen usw. wurden dann nachher im Vereinsheim parat gemacht, geschmiert und verteilt. Das war damals praktisch unser Ursprung. Warum ich damals da rein gegangen war, ist die Freude an der ganzen Musik. 


Wie habt ihr denn damals angefangen? Es war ja noch nicht alles da, ihr hattet noch nicht alles parat. Wie habt ihr euch denn damals organisiert?

Also das war so: Die ersten Auftritte hier, da hat man sich die Leute noch geliehen – meistens von Hermülheim – damit man die Reihen voll hatte und spielfähig zu sein. Die Zeiten habe ich aber so bewusst nicht mitgemacht, da ich ja damals ja praktisch noch in der Ausbildung war. Das hat bei mir so gut geklappt, dass ich direkt im Jahr drauf die ersten Auftritte mitmachen konnte. Es fing damals mit G-Dur- und D-Dur-Tonleitern an, dann kam der Lockmarsch. Das waren ja die ersten Sachen, die man lernen musste um den ersten Marsch zu bekommen. Das war bei mir damals der Preußens Gloria. Warum? Weil wir bei den Schützenfesten damit immer den Vorbeimarsch spielen mussten. Also so waren die Anfänge. Wenn ich dann an die weiteren ein zwei Jahre denke, was wir da alles unternommen haben… Wir sind nach Köttingen zu einem Wettstreit gefahren, ich weiß aber nicht mehr genau, ob es das gleiche Jahr gewesen ist oder das Jahr später. Da hat der Brüggen von der Kolpingstraße einen Klüttenwagen aufgekippt und da haben wir mit unserer damals noch weißen Uniform (weiße Hose) im strömenden Regen die Zeltplane gehalten bis nach Köttingen damit wir alle zum Wettstreit kamen. Da sind wir auf dem Kohlewagen gestanden, bis Knapsack rauf, Richtung Türnich und dann links rum nach Köttingen. Wie wir nachher aussahen, könnt ihr euch vorstellen – vor allem die, die außen gestanden haben, wo es dann immer runter plätscherte und plätscherte… Das waren schon schöne Zeiten. Oder ich kann mich noch entsinnen, da waren wir – ich war ja nie der größte, das bin ich ja heute noch nicht – auf dem Weg nach Kendenich zum Wettstreit, da sagte der Klütsche Pitt Jupp zu mir „kumm Griess“, und da sind wir dann den Berg hoch, wo jetzt in Hermülheim auf der Bonnstraße rechts der Berg hoch geht. Da haben die mich dann auf die Pauke gesetzt und damit den Berg hochgetragen. Also das waren unwahrscheinlich schöne Zeiten! Oder damals, wo wir alle ja noch keine Autos hatten, da sind wir alles noch mit der damaligen KBE gefahren. Nach Bornheim, nach Merten, in die Stadt rein bei Karneval. Das ist heute unvorstellbar. Der Effern war damals in Beringhausen bei Meschede im Sauerland in Kur und wir wollten den überraschen. Ich hatte leider keine 5 Groschen mehr. Damals war der Klütsche Schäng noch Busfahrer beim Otten wo wir uns noch einen alten Bus geliehen haben um den Effern in der Kur zu besuchen. Ich konnte aber nicht mitfahren, da ich die 5 DM nicht hatte. Da habe ich dann bei Flohrs‘ Peter Briketts hochgestapelt, wo ich 5 Mark bekommen habe damit ich mitfahren konnte. Also wenn man das heute einem sagt, da sagt der „spinnst du?“ oder da gehen dann die Augen auf. Das ist wirklich heute unvorstellbar was wir damals gemacht haben. Aber ich muss sagen, es war hervorragend! Das waren praktisch die ersten drei vier Jahre. Mit der Zeit wurden wir natürlich immer besser und man konnte sich finanziell auch mal was erlauben. Da ging es dann so richtig los. 


Wieso bist denn du damals in das Tambourcorps gegangen und nicht zu einer Blaskapelle?

Da war hier glaube ich damals noch nicht die Möglichkeit. In Hermülheim die Blaskapelle war damals auch noch nicht, da gab es nur das Tambourcorps. Hier gab es ja viele: Alstädten, Hermülheim, Kendenich, Gleuel, Berrenrath, da waren wir. Aber die Möglichkeit, für Musik zu machen war nicht überall. Der Effern hat das auch immer unterbunden indem wir keine Noten lernen sollten um nachher abzuspringen zur Blaskapelle. Ich weiß jetzt nicht genau, wann die Kapelle in Hermülheim gegründet war, das war aber bestimmt erst sieben oder acht Jahre nach unserer Gründung. Jeder hat damals geguckt, dass die ortsansässigen Leute auch bei sich im Verein spielten. Deshalb haben wir damals in der Ausbildung beim Effern leider keine Noten gelernt. 


Wie hat sich das denn im Laufe der Jahre alles entwickelt?

Also wie sich das entwickelt hat, so kann man sagen, wie sich das ganze gesellschaftliche Leben entwickelt hat. Es ist praktisch so neben her gelaufen, wie sich auch die Gesellschaft in Deutschland entwickelt hat. Es wurde von Jahr zu Jahr besser, die finanziellen Möglichkeiten kamen auch und die Auf und Ab’s in der Wirtschaft, im gesellschaftlichen Leben und auch im Vereinsleben.

Ich weiß noch, 1960 war ich mit meiner damaligen Lebensgefährtin – heute meine Frau – im Urlaub bei meiner Schwester in Koblenz, wir hatten aber an dem Wochenende in Fühlingen das Schützenfest zu spielen. Da sollte der Neumanns‘ Günter mich mit dem Motorrad in Koblenz am Bahnhof abholen damit ich mittags den Festzug mitmarschieren konnte. Ein Auf und Ab wie überall, aber es war schön. 


Du hast ja gesagt, ihr habt am Anfang nur mit Hilfsnoten gespielt. Wann habt ihr das ganze denn umgestellt? Wann kam so die Idee, Noten so richtig zu lernen?

Ich habe ziemlich spät auf Noten umgestellt und zwar, als wir das Veteranen-Corps hatten. Die Hilfsnoten liefen immer noch, aber das war mir nachher nicht mehr gut genug. Obwohl ich kein Notist bin wie der Udo Winter – das Blatt dahin und dann jö –, das konnte ich nicht. Ich musste immer die Melodie haben und dann konnte ich das spielen und unsere (Hilfs-)Noten zuordnen. Das war aber später. Vorher, als ich noch aktiv im Verein war, da sind wir nach Ulm zu einer deutschen Meisterschaft gefahren und da habe ich schon nach Noten gespielt. Das war auf jeden Fall dann schon früher als 1981. Ich hatte eine Phase, wie der Ralph geboren war, da hatte ich zwei drei Jahre die Einstellung, wenn ich nicht da bin, bin ich nicht da. Mannmäßig war genug Personal da, also konnte man auf so einen Jeck wie mich auch mal verzichten. Die Position vom rechten Frontmann hatte ich jahrelang inne, egal ob das jetzt der Rosenmontagszug war, damals noch bei den kleinen Vereinen, der Prinzengarde und auch schon bei den Roten Funken oder ob das die kleinen Schützenfeste hier in der Ecke waren. Da habe ich damals dann aus beruflichen Gründen Pause machen müssen, bis wir dann die Veteranen gegründet haben, was auch eine schöne Zeit war. Eine besonders schöne Zeit war, wo die Veteranen und Rheingold zusammen bei der Ehrengarde gespielt haben. Was wir da alles rüber gebracht haben mit fast 50 Leuten…. 


Wie kam es denn dazu, dass du die Idee hattest, wir gründen jetzt ein Veteranen-Corps?

Das kann ich dir gar nicht so genau sagen. Da ist irgendwer wegen dem 30 jährigen Bestehen auf die Idee gekommen – jetzt weiß ich aber nicht, ob das der Efferns‘ Jupp oder der Efferns‘ Willi war. Der hat gesagt, wir wollen mit den Alten mal was probieren. Ja und da haben wir dann verschiedene Leute angesprochen und ungefähr 20 oder 25 Mann sind dann übergeblieben. Und es hat Spaß gemacht, über 30 Jahre haben wir das ja schließlich auch gemacht. Und heute treffen sich die Frauen der Veteranen immer noch einmal im Monat. Bei mir war das dann damals so, dass ich nicht mehr hingegangen bin. Warum? Ich kam nur fünf Minuten zu spät da hin, und da war die Frage normal, „warst du beim Doktor?“. Und dann gingen die Krankheitsgeschichten los… Ich habe denen ein paar Mal gesagt, lasst uns aufhören immer nur von den Krankheiten zu reden, aber immer wieder kam: „Wo warst du denn? Warst du wieder beim Doktor? Was haste denn?“ Ich sagte, ich habe nichts und bin einfach nur zu spät gekommen aber dann hatte ich auch irgendwann keine Lust mehr. Im Endeffekt kam auch der Neumann irgendwann nicht mehr, Efferns‘ Jupp nur noch ab und zu, einem anderen ging es dann gesundheitlich auch schlechter und so ist das dann bei den Männern eingeschlafen. Sollen die Frauen ruhig auch mal machen… 


Du hast ja vor noch gar nicht allzu langer Zeit noch mit uns an Karneval zusammengespielt. Hat dich das so in den Fingern gejuckt, dass du es noch mal wissen wolltest?

Ja, das auf jeden Fall! Ich hatte eine schwere Gürtelrose, wo ich schwer dran zu knabbern hatte. Das kann ich keinem Menschen zeigen, das war sehr sehr schlimm. Und ich hab ja auch für die EKG noch ein oder zwei Auftritte mitgemacht, das war aber nachher nicht mehr drin. Aber nicht wegen der Gürtelrose. Irgendwie hat sich das nachher dann leider zerschlagen. Im Endeffekt würde ich sagen, leider und dann ist auch nichts mehr zu ändern gewesen – es war halt so. Ich bin dann noch ein oder zwei Jahre immer mal wieder mitgegangen, aber nie regelmäßig. Schon vor Urzeiten (1970/1975) habe ich, wo ich noch auf Montage war, gesagt, „wenn ich da bin, bin ich da – dann bin ich aber auch immer fünf Minuten vor Termin da“. Da sagte er, ich wäre 2. Vorsitzender, ich müsse da sein. Daraufhin sagte ich, dass das nicht ginge, und wenn ich als 2. Vorsitzender alles müsste, dann würde ich das nicht mitmachen, woraufhin natürlich Widerstand kam. Ich sagte dann einfach, dass sie dann wohl auf mich verzichten müssten und so ist das dann gekommen, dass eine gewisse Trennung von statten gegangen ist. 


Du hast es ja gerade schon angesprochen: Du warst ja auch im Vorstand aktiv. Wie ist es dazu gekommen?

Während meiner Lehre hatten wir keinen Schriftführer und da bin ich eingesprungen als Schriftführer. Grafs‘ Kurt war mein Vorgänger und trotz meiner Ausbildung habe ich mich dann dazu bereit erklärt, den Schriftführer zu machen. Und den Posten habe ich laut Aussagen auch immer gut ausgeführt. Und wie das immer so ist, wenn du einmal Schriftführer bist und es ist auf einmal ein Posten vakant, dann wirst du gefragt, „willst du es nicht machen?“, dann sagt einer ja und dann ist es so.   


Und wie lange hast du dann den 2. Vorsitzenden gemacht?

Das war nicht lang. 2 Jahre höchstens. Aber die genaue Postenverteilung kann ich dir gar nicht so genau sagen. Der Willi war der 1. Vorsitzende und nachher ist das dann ziemlich schnell gewechselt – einmal der, einmal der…


Du bist ja jetzt seit 70 Jahren Mitglied bei uns im Verein. Du hast ja garantiert auch ganz viele schöne Zeiten gehabt. Was war für dich aber das schönste Erlebnis, wo du dich gerne zurück dran erinnerst?

Wenn man diese Zahlen hört, will man sie gar nicht hören… Also das kann man gar nicht so aufzählen. Warum? Weil es so viele sehr schöne Erlebnisse gab! Ich könnte jetzt nicht sagen, das war die Nummer eins, das die Nummer zwei – überhaupt nicht. Was ein sehr schönes Erlebnis war, das war als wir in Frankfurt-Höchst auf einer deutschen Meisterschaft waren und wir, obwohl wir wussten, dass Rotthausen wieder Deutscher Meister wird, Vizemeister geworden sind, das war – wenn man jetzt von dem Manipulieren absieht (der damalige Stabführer von Rotthausen sollte für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen werden, was die Wertungsrichter dann mitbekommen und in die Wertung einbezogen haben) für mich die schönste Vizemeisterschaft und ein sehr schönes Erlebnis, weil wir auch in Frankfurt übernachtet haben. In Ulm war das aber genau dasselbe. Wann wir jetzt genau Deutscher Meister geworden sind, kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Ich führe jetzt seit 1981 Tagebuch und im Endeffekt tut es mir leid, dass ich nicht schon 1951 angefangen habe. Paul hat mich auch schon oft gefragt, ob ich dieses oder jenes noch weiß, aber ich konnte es nicht mehr nachvollziehen. 


Du hast ja in den ganzen Jahren, wo du aktiver Spielmann warst, viele Meisterschaften und Titel errungen. Wie oft bist du denn Deutscher Meister geworden?

Ich war neunmal Vizemeister und einmal Deutscher Meister. Die erste Meisterschaft war glaube ich in Köln und dann in Mainz in der Rheingold-Halle. Bei der war ich zwar nicht dabei, aber bei den anderen schon.


Wir haben das Glück, dass du von Anfang an quasi mitgemacht und wirklich fast über 70 Jahre Vereinsgeschichte miterlebt hast. Was hat sich da total gravierend geändert im Vergleich zu früher?

Vor allen Dingen die Musikalität. Das Schöne der Musik konnten wir früher nicht. Wir hatten nur Marschmusik wie im Krieg. Es wurde immer nur draufgehauen, die Musik hat die Blaskapelle gemacht und als Spielmannszug war man nicht so schön zu hören. Das hat sich mit den Jahren, was ich so mitbekommen habe, bei euch so gebessert, dass es wirklich sehr gut anzuhören ist. Für meine Begriffe ist es das Beste! 


An der Chronik kann man sehen, dass Jupp und Willi Effern das Ganze so vorangebracht haben. Wie war das für die aktive Spielmannschaft, dass man nicht mehr einfach nur noch draufhauen durfte, sondern plötzlich Musik mit ins Spiel kommt. Ist da jeder mitgegangen, oder waren manche so perplex und haben gesagt „das machen wir nicht“?

Was mich so fasziniert hat war, dass der Willi genauso angefangen hat mit Hilfsnoten wie ich und sich so entwickelt hat. Er hat die Musikalität, das Schöne der Musik, richtig rübergebracht. Der Philipp Moritz hat auch sehr viel Musik eingebracht, Aber was der Willi gemacht hat, war für meine Begriffe echt faszinierend! Die Entwicklung ist auf einmal sprunghaft angestiegen durch Seminare oder Wochenendseminare, die er gemacht hat. Die Alten konnten das aber nicht mehr so mitmachen. Ich habe versucht, bis zu einem gewissen Punkt alles mitzumachen, was die Veteranen angeht. Bei den Veteranen hatten wir ja auch noch eine ziemlich gute Musikalität. 


Du hast in den 70 Jahren verdammt viele Stücke gespielt. Welches ist für dich dein absolutes Lieblingsstück, das du je selbst mitgespielt hast?

Also der Florentiner Marsch ist auch heute noch mein Lieblingsstück. Aber, alles was hinter her kam, wie der Marsch der Medici, die Mignonette oder die Amboss-Polka sind auch sehr schön. Am Abend vorher haben wir die Amboss-Polka noch gespielt und da sagte jemand, „Ach, die könnt ihr doch auch morgen auf dem Wettstreit spielen!“ Damit haben wir dann den zweiten Preis gemacht obwohl wir hier erstmals in der Konzertklasse angetreten waren. Danach sind wir dann nur noch in der Konzertklasse angetreten. Das sind so Stücke, die bleiben ewig im Gedächtnis. 


Wenn du heute bei uns im Vorstand wärst und Kinder und Jugendliche dazu bewegen wollen würdest, zu uns zu kommen, was würdest du denen sagen? Warum ein Spielmannszug? Warum generell ein Verein?


Ein Verein, damit man wieder miteinander etwas unternimmt. In der heutigen Zeit ist es ja so, jeder ist sich selbst der Nächste und es kommt kein Leben mehr zurecht, wie es früher mal war, welches dann auch schön war. Ich will nicht sagen, dass heute alles nur schlecht ist, aber es ist leider so, dass man heute wirklich einfach mal jemanden ansprechen muss, damit man überhaupt noch ein Wort miteinander spricht. Das war früher ganz anders. Wenn man beispielweise in einem Zug mal kurz austrat, kam man gar nicht mehr wieder zurück in die Reihen, da man immer und überall einen getroffen hatte, den man kannte. Das fängt doch heute schon in der Kneipe an. Man geht in die Kneipe rein und wer steht da? Der Wirt oder die Wirtin – und anders ist keiner mehr da. Früher konnte man auch alleine in die Kneipe gehen und wusste, irgendwen triffst du immer, aber heute ist das nicht mehr möglich. Man trifft einfach niemanden mehr. Damals dauerte das keine fünf Minuten und eine halbe Stunde später waren wir alle miteinander am Singen. Wenn du heute auch nur mit der Stimme ein Liedchen anstimmst, wirst du gefragt, „Was ist denn mit dir? Könnt ihr das nicht zuhause machen?“. Und das waren früher die schönen Sachen, der Zusammenhalt. Es wurde sich auch gezankt, und zwar so richtig, dann ging man mal kurz gemeinsam raus und dann war die Sache erledigt. Heute geht man über den Appellhofplatz und hat drei Monate später einen Prozess am Hals wenn man einem zu viel sagt.   


Und warum dann ausgerechnet ein Spielmannszug, obwohl es so viele Freizeitangebote gibt, wie zum Beispiel Fußball oder andere Sportarten? Warum sollen sie dann ausgerechnet zu uns kommen?

Wegen zweierlei Dinge. Erstens wegen dem Zusammenhalt und zweitens wegen der Musik. Wenn man die heutige Zeit mit dem ganzen Fußball sieht, was da in den kleinsten Vereinen auf dem Platz abgeht, das ist nicht mehr schön. Die kleinen Kinder stehen auf dem Platz und werden von den Vätern und den Trainern in einer Tour nur angemotzt und zusammengestaucht. Ich würde daher keinem Kind empfehlen, in solch einen Verein zu gehen. Ich sage lieber: „Jetzt setz dich mal auf deinen Hintern, du kriegst jetzt eine Flöte oder ein anderes Musikinstrument und da bist du dann besser aufgehoben.“ Es wird aber leider gar nicht mehr so angenommen, wie es früher einmal war. Heutzutage ist für alle immer der sportliche Ausgleich wichtig, was wir mit nur ein bisschen Köpfchenarbeit nicht bieten können. 


Hans, dein Sohn hat ja auch jahrelang bei uns gespielt, auch mit dir zusammen. Wie war das für dich, dass du mit deinem Sohn zusammen im Verein Musik machen kannst?

Ich würde sagen, wir haben uns da in gewisser Weise ergänzt. Wir waren meistens zusammen unterwegs, er ist aber auch eine ganze Zeit alleine mitgegangen. Dann hatte er eine ganze Phase karnevalsmäßig bei blau-gold Ehrenfeld mitgemacht. Ich hatte nie etwas dagegen, ich war immer nur dafür, weil er auch Spaß daran hatte. 


Ist dein Sohn von sich aus auf die Idee gekommen, in das Tambourcorps reinzukommen?

Oh das kann ich dir gar nicht mehr sagen, ich nehme an er dachte, sein Alter wäre im Verein und er könnte das dann auch. Ich hatte ihm auch gesagt, was das für eine Schlepperei bei der Trommel war, da hat er das direkt geschluckt und sich für die Flöte entschieden. 


Wenn du heute nochmal jünger wärst, würdest du dich wieder dafür entscheiden, in das Tambourcorps zu gehen?

Ja und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich jetzt intensiv Noten lernen wollen würde damit ich, wenn ich ein Blatt vorgelegt bekomme, auch direkt eine Ahnung habe worum es geht, ohne vorher eine Schallplatte anzuhören um zu wissen, wie die Melodie geht. Ein Blatt einfach so runterspielen zu können, das wäre für mich einfach ein Träumchen – das würde ich als erstes machen wollen. Eine wirklich gute Ausbildung erhalten. Mit Pünktchen zu spielen, das würde ich nicht mehr machen. 


Es ist ja mittlerweile so, viele Festzüge gibt es hier in der Ecke nicht mehr, außer ein paar Schützenfeste, Martins- und Karnevalszüge. Viele Vereine sagen heute schon, ein Zug wäre nicht mehr notwendig. Früher war das anders. Was war dir lieber? Einen schönen Festzug zu gehen oder auf der Bühne zu stehen und Meisterschaften zu spielen?

Also Meisterschaften zu spielen war für mich immer das Schönste. Die Festzüge waren ein notwendiges Übel um Geld zu verdienen. Das fing schon bei den Veteranen an, wie wir auch Schützenfeste gespielt haben. Sehr oft konnten wir uns anhören, dass wir zu teuer gewesen wären. Da hatte man da mit 23 oder 25 Mann 300 DM bekommen, da haben wir von einer Dame aus Vochem die Unterstützung bekommen: „Von nichts kommt nichts und wenn ihr das nicht bezahlen wollt, müsst ihr eben drauf verzichten.“ Im nächsten Jahr durften wir dann trotzdem wieder kommen zu diesem Preis. Aber da fing das schon an, dass die Spielmannszüge unter Druck gesetzt worden sind, sie seien zu teuer. Wir bekamen 100 DM für den Auftritt und die Kapelle 1000 DM – wo bleibt denn da die Gerechtigkeit? Zu der damaligen Zeit war das auch viel Geld, auch wenn die nur mit 10 Mann kamen. Wir haben beide das gleiche gemacht, der Marsch hat einfach nur anders geklungen. Klar war es auch immer ein Erlebnis für mich, einen richtigen Fanfarenzug zu hören. Die gibt es ja heute kaum noch. 


Vermisst du das Musikmachen manchmal noch? Auch wenn du es nicht mehr könntest?

Ich könnte das zwar noch, aber die Jugend ist in mir zu weit fortgeschritten. Wir lassen es einfach so, wie es gewesen ist – zurückversetzen kann man es sowieso nicht.  


Hast du noch eine Flöte hier?

Ich habe noch einen kompletten Satz: Notenständer, Flöte, die komplette Notenmappe. 


Nimmst du dir deine Flöte auch ab und zu nochmal?

Nein. Ich habe jetzt beim Aufräumen viele Sachen weggeworfen. Ich habe einen Ordner dabei gefunden, wo alle Noten der Stücke, die ich damals gespielt habe, noch drin waren. Die habe ich mir mal auf Seite gelegt, die gebe ich aber Rheingold mal zurück – vielleicht kann man damit ja noch was anfangen. Zum Wegwerfen ist es mir einfach zu schade. 


Jetzt haben wir ja dieses Jahr 70 Jahre Rheingold. Was wünschst du dir persönlich für die Zukunft des Vereins?

Also dass auf jeden Fall mehr Nachwuchs kommt und dass es so weitergeht wie bisher. Es sind ja immer wieder Umbrüche, wie jetzt bei Paul und Judith. Ich hoffe, dass der Verein nicht nur jetzt die 70 Jahre schafft, sondern es paar Jahrzehnte mehr werden könnten.


Jetzt hast du ja einen relativ jungen Vorstand im Verein. Was würdest du – aufgrund deiner jahrelangen Vereinstätigkeit und
-zugehörigkeit – uns für Ratschläge mitgeben, wie wir den Verein in der Zukunft führen sollten?

Oh. Das ist eine sehr schwere Frage und zwar aus dem einfachen Grund, weil ihr vom Geschäftsleben viel mehr Ahnung habt, wie wir in unserem Alter. Da würde ich mich dezent zurückhalten. Ich werde wahrnehmen, aufnehmen und ggf. Tipps geben. Das ist aber auch schwer, weil man die Zeiten nicht mehr miteinander vergleichen kann. Als Vorstand habe ich das damals immer schlimm gefunden, wenn zum Beispiel Efferns‘ Willi permanent zu spät kam. Einmal sind wir ohne ihn gefahren. Da hat sein Bruder Jupp gesagt „Tür auf, Tür zu und Abfahrt!“. Das hat mich immer so dermaßen aufgeregt, dass man sich auf den ein oder anderen nicht verlassen konnte. Ich war immer ein Mensch, der gesagt hat, man hat mindestens fünf Minuten vorher parat zu sein. Das Wort „permanent“ hat auf Willi immer hundertprozentig zugetroffen.   


Jetzt haben wir dieses Jahr nicht nur 70 Jahre das Musik-Corps, sondern auch 70 Jahre Mitglied im Musik-Corps Hans Ollig. Was bedeutet das für dich?

Das bedeutet nichts Gravierendes. Ich bin im Musik-Corps 70 Jahre drin, wie die Zeit vergeht ist sagenhaft. In einer Hinsicht bin ich mit gewissem Stolz erfüllt. Ich war leider auf der Gründungsversammlung nicht dabei, bin aber vom Jahr der Gründung an bei Rheingold Efferen. Ich hatte auch immer viel Spaß, wenn wir zum Beispiel Karneval unterwegs waren. Die schönsten Karnevalsaufritte waren die kleinen Veranstaltungen wie beispielsweise das Mütterkaffee.